Kinder lernen gern und sie tun das meistens mit sehr viel Spaß, Neugier, Kreativität und Selbstbewusstsein. In der Schule kommen allerdings nicht alle Kinder mit der Vermittlung des Unterrichtsstoffes gleich gut zurecht. Bereitet ein Fach Schwierigkeiten, wird die Freude am Lernen weniger und die Lerninhalte werden nur noch teilweise oder gar nicht bewältigt, die Motivation lässt nach. Die Folge sind schlechte Noten oder schlechte Ergebnisse in Schulleistungstests. Wenn sich ein Kind auf Dauer schwer mit bestimmten Lerninhalten tut, kann eine Lernschwäche die Ursache dafür sein. 5-10% (Stand: November 2009) aller Schüler sind weltweit von Lernschwierigkeiten, wie Legasthenie (Lese-Rechtschreib-Schwächen) und Dyskalkulie (Rechenschwäche), betroffen. Letztendlich kann jedes Fach bzw. jeder Lernbereich Lernschwierigkeiten verursachen. Häufig werden diese nicht sofort mit dem Schulbeginn erkannt. „Erst in der dritten Klasse werden Rechtschreibregeln erarbeitet, erst dann wird deutlich, ob die Kinder durch Auswendiglernen die Aufgaben nach einem Schema abarbeiten oder ob sie sie verstanden haben“, so die Leiterin des Fink-Förderinstituts in Bremen Claudia Henckel. Das betrifft auch das Lesen. Viele Kinder können ihre Lieblingsbücher auswendig und beim Sinn erfassenden Lesen geraten einige Kinder dann ins Stocken.
Sind Lernstörungen vererbbar?
Die Ursachen für Lernstörungen sind komplex und vielschichtig. Durch mehrere zusammenspielende Einflüsse und Voraussetzungen entstehen Probleme beim Lernen. Untersuchungen haben ergeben, dass die Wahrscheinlichkeit einer Lernstörung vererbt wird – oft treten Lernstörungen mehrfach innerhalb einer Familie auf. Ein weiterer möglicher Grund für die Entstehung einer Lernstörung ist die fehlerhafte Informationsverarbeitung im Gehirn: Wenn Kinder zum Beispiel Schwierigkeiten beim Wiedererkennen von Buchstaben und Zahlen haben, kann es sein, dass die entsprechenden Hirnbereiche nicht korrekt arbeiten. Auch medizinische Faktoren wie chronische Mittelohrentzündungen oder schlechtes Sehvermögen beeinflussen unsere Lernfähigkeit negativ. Soziale und erziehungsbezogene Faktoren werden zwar nicht als direkte Auslöser für eine Lernstörung angesehen, können sich aber auf das Ausmaß der Lernstörung auswirken. So sind Probleme beim Lernen immer dann besonders ausgeprägt, wenn Kinder in ihrer Familie nicht ausreichend gefördert werden.
Das Dilemma beginnt meist in der Grundschule: hier sind hochbegabte Kinder ebenso wie Kinder mit Lernschwächen in einer Klasse. Das kann dazu führen, dass gerade die besonders begabten Kinder aussteigen, sich langweilen und sich nicht mehr am Unterricht beteiligen. Oder anders ausgedrückt, sie lernen das Lernen nicht. In der weiterführenden Schule kann es dann zu Schwierigkeiten kommen, es kann sogar sein, dass die Kinder keine Empfehlung für das Gymnasium bekommen. Hinzu kommt, dass viele Grundschüler Probleme haben, sich zu konzentrieren, sie ermüden schnell und haben Schwierigkeiten dem Unterricht zu folgen. Nicht jedes Kind, das Probleme in der Schule hat, leidet unter einer Lernstörung. Manchmal hilft es schon, zuhause den Tagesablauf neu zu gestalten, die Kinder noch stärker bei den Hausaufgaben zu unterstützen und mehr Pausen mit Entspannungsübungen einzuplanen, um so die Konzentration und Interesse zu fördern.
Wenn herkömmliches Üben nicht hilft und die Schwierigkeiten nicht weniger werden, sind Eltern und Lehrer gleichermaßen gefordert. Lernschwäche ist keine Krankheit – frühe Diagnose und gezielte Förderung schützen betroffene Kinder vor weiteren Misserfolgen. Sonst kommt ein Prozess in Gang, der für alle Beteiligten meist frustrierend ist. Denn schlechte Noten haben nicht nur negative Auswirkungen auf die Lernfreude, sondern wirken sich auch auf die Einschätzung der eigenen Fähigkeiten und auf das Selbstbewusstsein aus. Die Folge: das Kind hält sich für einen Außenseiter und Versager und fühlt sich von den Lehrern schlecht behandelt, es zieht sich immer mehr zurück. Eltern sind überfordert und reagieren mit Hilflosigkeit. Spätestens dann wird professionelle Hilfe notwendig.
Wie kann man Kinder unterstützen
In vielen Grundschulen werden spezielle Förderkurse für betroffene Schüler angeboten, in denen besonders ausgebildete Lehrpersonen oder Therapeuten den Unterrichtsstoff mit den Kindern aufarbeiten. Bei manchen Kindern ist allerdings die Lernstörung so ausgeprägt, dass es mit der familiären und schulischen Unterstützung allein nicht getan ist. Hinzu kommt, dass es für manche Kinder hilfreicher ist, wenn der Förderunterricht nicht in der Schule stattfindet, sondern außerhalb ihres täglichen Lernumfeldes. Dann besteht die Möglichkeit einer individuellen Einzelförderung.
Ausgebildete Psychologen oder Pädagogen erstellen zu Beginn der Therapie eine umfassende Diagnostik. „Zunächst wird eine so genannte Lernstandserhebung durchgeführt, diese ist allerdings nur eine Momentaufnahme“, erläutert Claudia Henckel vom Fink-Förderinstitut. „Wichtig ist, dass wir das Kind kennen lernen und herausfinden, was es kann und wo die Schwierigkeiten liegen. Dafür fangen wir mit Bereichen an, die das Kind sicher beherrscht. So steigt die Motivation und die Lernerfolge sind größer.“ Auf dieser Basis wird dann ein individueller Förderplan erarbeitet und mit Eltern und Lehrern besprochen. Wichtig ist, dass nicht nur die Lernstörung behandelt, sondern auch das Selbstbewusstsein der Schüler wieder aufgebaut wird.
Damit das Kind eine professionelle und geeignete Förderung erhält, sollte man sich im Vorfeld sorgfältig informieren und sich Lerntherapeuten empfehlen lassen. Gute Lerntherapeuten haben ein Hochschulstudium und Zusatzausbildungen und sollten schon länger in ihrem Beruf arbeiten. Rat und Hilfe finden Eltern bei der Schulberatung, beim Schulpsychologischen Dienst oder beim Jugendamt.