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Vegetarisch, vegan in der Familie
„Ich ess‘ nichts, was Augen hat“ erklärt die 10-jährige Emily und beißt genüsslich in ihr Käsebrot. Bereits mit fünf Jahren hat sie in der Familie ihren Entschluss bekanntgegeben, von nun an weder Fleisch noch Fisch zu essen. Ihre Eltern, die selbst gern mal ein Fleischgericht essen - allerdings eher selten - haben kein Problem mit dem Sinneswandel ihres jüngsten Kindes. Und auch die große Schwester hat bereits im zarten Alter von drei Jahren beschlossen, „nie wieder tote Tiere zu essen".
Rund 7 Millionen Vegetarier - das sind 8 bis 9% der Bevölkerung - ernähren sich laut VEBU (Vegetarierbund Deutschland) derzeit vegetarisch. 800.000 Menschen verzichten nicht nur auf Fleischprodukte, sondern lehnen auch den Verzehr von Milch und Käse ab und meiden generell die Nutzung tierischer Produkte. Der Trend, weniger oder gar kein Fleisch mehr zu essen, spiegelt sich auch in den Ernährungsgewohnheiten der Familien wieder. Laut VEBU ergab eine Befragung von mehr als 2.000 Kindern und Jugendlichen, dass in über 40% der Familien weniger Fleisch als früher gegessen und in 11,9% der Familien überhaupt kein Fleisch mehr gegessen wird.
Wer Kinder hat, wird vermutlich früher oder später in Erklärungsnot geraten, wenn den begeisterten Fleischessern klar wird, dass es einen Zusammenhang zwischen dem süßen Kälbchen auf der Weide und der Lieblingsleberwurst gibt. Ein guter Anlass, die eigenen Ernährungsprinzipien zu durchleuchten und mit den Kindern zu besprechen. Oft fällt die Entscheidung, auf Fleisch zu verzichten, bei Kindern schon sehr früh. Laut Sebastian Zösch, stellvertretender Vorsitzender des Vegetarierbunds Deutschland (Vebu), sind etwa 15 Prozent der Mädchen und fünf Prozent der Jungen Vegetarier, die meisten verzichten aus Liebe zu den Tieren auf das Fleisch, seltener sind es geschmackliche Gründe. Für manche Eltern ist der Verzicht auf Fleisch eine gute Gelegenheit, die vegetarische Küche selbst einmal auszuprobieren. Andere machen sich Sorgen, dass die fleischlose Kost zu Mangelerscheinungen und Entwicklungsstörungen führt.
Frisches Gemüse ist das A & O
Wer kein Fleisch mehr isst, ernährt sich nicht zwangsläufig gesund. Pfannkuchen, Weißmehlprodukte, Pommes und Co. sind zwar fleischlos und bei Kindern sehr beliebt, aber als Vitamin- und Eisenlieferanten nicht ausreichend. Wichtig ist ein ausgewogener Speiseplan. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE) empfiehlt vegetarische Ernährung mit Eiern und Milchprodukten als Dauerkost. Allerdings nur unter der Voraussetzung, dass genug Vollkornprodukte und eisenhaltige Gemüse wie Spinat, Erbsen, Fenchel oder Mangold auf dem Speiseplan stehen. Das Gemüse sollte möglichst mit Vitamin-C-haltigen Lebensmitteln kombiniert werden, da dann der Körper das Eisen besser aufnehmen kann. Optimal ist zum Beispiel frisch gepresster Orangensaft zum Müsli oder Paprika im Salat. Wichtig ist auch Jod und Vitamin D. Vitamin D ist unentbehrlich für die Kalziumaufnahme und regt den Knochenaufbau an. Vitamin D kommt nur in wenigen Lebensmitteln vor, die für eine vegetarische oder vegane Ernährung geeignet sind. Umso wichtiger ist es, dass Vegetarier und besonders Veganer sich täglich im Freien aufhalten, da unser Körper mithilfe des UV-Lichts einen großen Teil des benötigten Vitamins selbst herstellt.
Beim Thema vegane Ernährung im Kindesalter streiten sich allerdings die Gemüter. Die DGE argumentiert, dass die Lebensmittelauswahl für Veganer zu stark eingeschränkt sei, es bestehe die Gefahr von Nährstoffmangelzuständen. Tatsache ist, dass Energie, Protein, Eisen, Calcium, Jod, Zink und verschiedene Vitamine besonders wichtig für die Entwicklung sind, und die braucht der Körper, der sich im Wachstum befindet, besonders. Die Ernährungsberater des Vegetarier-Bunds Deutschland hingegen sind davon überzeugt, dass sich Stoffe wie Eisen, Vitamin D oder Jod bei einer bewussten Lebensweise und in ausreichender Menge aufnehmen lassen und zwar bereits von Kleinkindern. Fest steht, dass sich Eltern von veganen Kindern sehr gut mit Lebensmitteln und deren Nährstoffen auskennen müssen, damit nicht die Gefahr der Unterversorgung bestimmter Lebensmittel besteht. So ist es zum Beispiel wichtig, auf eine ausreichende Energiezufuhr in Form von Nüssen und Pflanzenölen zu achten, da vegane Ernährung oft energieärmer ist als fleischhaltige Kost. Wer unsicher ist, ob die Kinder gut versorgt sind, sollte sich Hilfe von Ernährungsberatern holen. Wichtig ist auch, dass regelmäßig das Blut untersucht wird, um z.B. Eisenmangel rechtzeitig erkennen zu können.
Fleischlos in der Schwangerschaft
Während der Schwangerschaft steigt der tägliche Nährstoffbedarf zum Beispiel an Mineralstoffen, Eiweiß und Vitaminen – wer also auf Fleisch verzichtet, muss genauso wie Fleischesser auf eine abwechslungsreiche Ernährung achten. Erstaunlicherweise kommt Eisenmangel bei Vegetariern nicht häufiger vor als bei Nicht-Vegetariern. Kritischer beurteilen Ernährungswissenschaftler Schwangere, die sich vegan ernähren möchten. Laut Stiftung Warentest ist eine sichere Vitamin-B-12-Versorgung nur mit zusätzlichen Vitaminprodukten möglich, in jedem Fall muss die Nährstoffversorgung regelmäßig überprüft werden.
Fazit: Kinder können genauso wie Erwachsene ohne Probleme fleischlos groß werden, wenn die Eltern auf eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung achten. Allerdings sind sie auch in der Pflicht, ihren Kindern zu erklären, warum es wichtig ist, regelmäßig Gemüse und Vollkornprodukte zu essen und nicht einfach nur das Leberwurstbrot wegzulassen. Das klappt in den meisten Familien besser, wenn die Eltern mit gutem Beispiel voran gehen und selbst täglich viel Obst und Gemüse essen. Inzwischen gibt es jede Menge vegetarischer Rezepte, die selbst kleine Gemüsemuffel überzeugen.
Ausgewählte Fragen und Antworten zu veganer Ernährung hat die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) in einem FAQ-Papier zusammengefasst.